Rhodos Journal


Verwundet und gedemütigt durch die westliche Kirche

Wenn sich die Christen des Westens und des Ostens in ihrem Glaubensbekenntnis so nahe sind, wie kommt es dann, daß sich ökumenische Kontakte oft als so schwierig erweisen?

Seit Ende des 12. Jahrhunderts zogen westliche Kreuzfahrer immer wieder gen Osten, um die heiligen Stätten der Christen aus der Hand der Ungläubigen zu befreien. Damit befanden sie sich durchaus grundsätzlich im Einklang mit den Wünschen des Byzantinischen Kaisertums und Patriarchats. Aber daraus wurde etwas ganz anderes: 1204 stürmten Kreuzritter Konstantinopel, richteten ein Blutbad unter der Bevölkerung an, plünderten und raubten die Stadt aus, und vertrieben den einheimischen Klerus. Einen kleinen Teil der damals erbeuteten Kunstschätze kann man noch heute im Domschatz von San Marco in Venedig sehen - Beutekunst! Und was nicht geraubt wurde, wurde geschändet, zerstört, ins Meer geworfen. Statt des einheimischen Klerus wurden "lateinische", also westliche Bischöfe und selbst Patriarchen eingesetzt, in Konstantinopel nicht anders als in Antiochien und Jerusalem. Die einheimischen Christen dort wurden behandelt wie Ungläubige. Damit wurde die orthodoxe Kirche aufs Bitterste gedemütigt und geschwächt.

Hätten die Kirchen des Westens treu an der Seite ihrer Brüder und Schwestern gestanden, wäre es den Türken vielleicht nicht möglich gewesen, 1453 Konstantinopel einzunehmen. Stattdessen nutzte das Patriarchat Rom die geschwächte Lage der Orthodoxen Kirche aus, um immer wieder neu auf Unionen zu drängen, die letztlich bedeutet hätten, daß die Kirchen des Ostens sich der westlichen Kirche eingliedern. Statt uneigennützig zu helfen, versuchte damals die römische Kirche, den eigenen Machtbereich zu erweitern. Da solche Pläne scheiterten, setzte man alles daran, wenigstens einzelne Teile der orthodoxen Kirche, Bistümer, ganze Landstriche für die Union mit Rom zu gewinnen.

Dadurch spaltete sich die orthodoxe Kirche vielerorts, es gab von nun an neben den orthodoxen Kirchen die "unierten", die im gottesdienstlichen Ritus weitgehend bei der alten Ordnung blieben, aber ansonsten dem Papst unterstellt waren. Die alte Einheit war zerstört.

Im Laufe der Reformation versuchte Philipp Melanchthon, Kontakt aufzunehmen mit dem Patriarchen von Konstantinopel, um deutlich zu machen, daß die Reformation keinen "neuen" Glauben einführen wolle: "Dies war die Lehre und der Glaube der Apostel,... dies ist auch unser Glaube und unsere Religion und keine andere. Im übrigen gibt es Neues bei uns nicht. Wir haben keine neue Bibel,... sondern jene alte." Doch lagen Wittenberg und Konstantinopel (mitten im osmanischen Reich) einfach zu weit auseinander, um miteinander im theologischen Gespräch zu bleiben, der Kontaktversuch scheiterte.

Im Westen setzte sich allmählich ein Vorurteil durch: die orthodoxe Kirche sei innerlich ausgehöhlt, verdorrt, nicht mehr lebendig. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an bildeten sich in Amerika wie in Westeuropa evangelikale Missionsgesellschaften, die den Heiden das Licht des Christentums bringen wollten. Als sie entdeckten, daß sie in Nordafrika, in Palästina und in den ehemals türkischen Gebieten unter den Muslimen keinen Erfolg hatten, drangen sie in die Gebiete der Orthodoxie ein, von Ägypten über Palästina, Syrien bis nach Griechenland, als lebten dort noch keine Christen. Sie predigten, erst dann sei man ein wirklicher Christ, wenn man sein Leben persönlich Jesus übergeben habe; so wie es in ihren neu entstehenden Gemeinden üblich sei, sonst stünde man gleichsam nur im Vorhof des Glaubens. Manche von ihnen erkannten nicht einmal die orthodoxe Taufe an, sondern verkündeten die Erwachsenentaufe auf Grund eines persönlichen Glaubensbekenntnisses als allein seligmachend. So kam es aus orthodoxer Sicht zu Wiedertaufen. Solche Praktiken verletzten die orthodoxe Kirche tief.

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